Wenn der Mensch geboren wird, ist er schwach und biegsam. Wenn er stirbt ist er fest und hart. Wenn ein Baum wächst, ist er zart und biegsam, aber wenn er trocken und starr wird, stirbt er. Härte und Stärke sind Gefährten des Todes.
Andrej Tarkowski in „Stalker“, UdSSR 1979
PREMIERE 16. Juni 2017, Uferstudios, Studio 14, Berlin
the living room version:
25. Mai 2019, Explosive! Festival, Schlachthof Bremen
29. April 2019, Expo Festival, English Theatre Berlin
25. Mai 2018, in einer Pankower Wohnung
HARRENDE RÄUME UND TROTZENDE MENSCHEN ist eine Performance, in der sich drei Tänzer*innen und ein Beatboxer mit Kraft als Überlebensstrategie auseinandersetzen.
In welcher Form bündeln Menschen ihre Kräfte, um innerhalb ihrer eigenen Grenzen weiterzukommen?
Wie verändern sich diese Formen, wenn einzelne Menschen aufeinander treffen? In welchem Zusammenhang stehen hierbei körperliche und mentale Kräfte?
Die Konfrontation und Verbindung von Martial Arts, Krump, zeitgenössischem Tanz und den Live-Sounds des Beatboxers schafft mit viel Bewegung eine dichte Atmosphäre und Bilder, in denen der Zuschauer seine eigenen Zusammenhänge knüpft, sich wiedererkennt, sich bedauert und bewundert.
Drei Menschen befinden sich in den Überbleibseln eines Zimmers. Zwei Wände, eine Zimmerpflanze, ein Bett: Freiwillig Gefangene, die es trotz offenem Fenster und offener Türen nicht verlassen. Draußen herrscht Endzeitstimmung. Sie harren und trotzen hier, halten stand – genauso wie der Ort, an dem sie sich befinden.
Unterschiedliche Haltungen, mit ungewohnten Situationen umzugehen, treffen aufeinander. Mentale und körperliche Ressourcen äußern sich in verschiedenen Bewegungsmustern und Ausdrucksformen.
Mal gemeinsam, mal gegeneinander, mal einzeln in wechselnden Konstellationen sichern die drei Menschen das Überleben, rationieren Essen und rationieren Kräfte, erproben diese, erforschen ihre Kraftreserven, ihr Bewegungspotential, stählen ihre Körper, probieren Neues, flüchten in Bekanntes. Sie versuchen sich im Sozialsein und verharren im Alleinsein. Im Verlauf des Stückes erweitern die Drei ihren Radius und verschaffen sich mehr Raum – doch weiter als bis zu den Füßen der über Eck stehenden Zuschauerreihen kommen sie nicht. Diese bilden zwei Wände, die die zwei Zimmerwände ergänzen, Wände aus Voyeurismus und Teilnahme, die niemanden durchlassen und das Ende ihrer Entfaltungsmöglichkeiten definieren.
Doch das größere Hindernis, aus dem es auszubrechen gilt, sind ihre eigenen Ängste. Sie beobachten sich gegenseitig voll Skepsis, imitieren einander, liefern sich aus, verlieren die Kontrolle, arbeiten sich an sich selber ab: Bin ich stark genug? Was ist meine Kraft? Was die der anderen? Kann ich ihnen standhalten? Sind wir gefährlich oder sind wir in Gefahr? Bedeutet Stärke immer der*die Erste zu sein oder ist es stärker, geduldig zu verharren? Sind Gelassenheit, Vorstellungskraft und Geduld trainierbar? Kann man trainieren zu wachsen?
So entstehen Abhängigkeiten, Konkurrenz und Druck, denen die Drei sich fügen und von denen sie sich abgrenzen. Mit den Facetten verschiedener Kräfte suchen sie nach Überlebensstrategien. Sie trainieren, sie kämpfen – allein, gemeinsam und gegeneinander. Brechen aus und kehren zurück. Ein sich Wappnen und Feien für die nächste Etappe, wo auch immer diese liegen mag.
Der am Rande des Geschehens sitzende Beatboxer ist Beobachter, Kommentator und Agierender zugleich. Mal stärkt er die Versuche der auf der Bühne Agierenden, mal treibt er sie an, mal lässt er sie allein, mal im Gleichklang, mal im Kontrast. So unterstützt er durch seine Live-Sounds die Spannung, die entsteht, wenn die Drei aufeinander treffen, und läßt gleichzeitig eine Außenwelt erahnen, den Raum, die Gesellschaft, die die drei umgibt und ein weiteres Spannungsfeld erzeuget. Durch seine klaren, schnellen Beats einerseits und durch die ruhigeren, aber nicht weniger vielschichtigen Soundscapes macht er die Möglichkeiten menschlicher Wucht und körperlicher Fähigkeiten hörbar.
TANZ Ixchel Mendoza Hernandez, Manon Greiner (Premiere: Julia Schunevitsch, Liselotte Singer) und Michele Meloni MUSIK Daniel (Mando) Mandolini CHOREOGRAFIE Janne Gregor DRAMATURGISCHE BEGLEITUNG Fee Römer BÜHNE UND KOSTÜM Lena Mody VIDEO, ASSISTENZ BÜHNE UND KOSTÜM Julia Buntzel LICHTDESIGN Ľudovit (Luigi) Kovács
Dauer: 40 min
Mit freundlicher Unterstützung: